31.05.2021

Die Dinosaurier leben: Kulturredakteur Peter Disch über die „alte Tante Tageszeitung“

Die Kruger Days sind fester Bestandteil bei Kruger Media. Aus gutem Grund. Wo sonst erfährt man aus erster Hand Aktuelles aus den Bereichen PR, Kommunikation und Soziale Medien. Einer, der dazu einiges erzählen kann, ist Peter Disch, Kulturredakteur bei der Badischen Zeitung mit Schwerpunkt Rock- und Pop-Musik. Im Rahmen der Kruger Days sprach der 54-jährige Familienvater über seine Arbeit, den Stellenwert von Tageszeitungen – und warum ein Wechsel in die Lokalredaktion ein echter Augenöffner sein kann.

Landläufig fragen sich viele Leute: Wer liest eigentlich noch Tageszeitungen? Ihre Meinung: Die Tageszeitung ist ein Dinosaurier, eine Art aussterbende Spezies. Lässt sich einordnen, welchen Stellenwert Tageszeitungen im allgemeinen Medienmix noch haben? Oder gibt es Zahlen, welche die Relevanz der Tagezeitungen aufzeigen, auch mit Blick auf die Badische Zeitung?

Peter Disch: Ich halte mich und unser Medium nicht für einen Saurier. Aber im Ernst. Für die Branche habe ich ad hoc keine Zahlen parat. Aber auch wenn sich die Medien wandeln, vieles digitaler wird, soziale Medien zulegen: Letztendlich ist Journalismus eine Frage des Handwerks. Es geht darum, dass man beide Seiten hört und mit Sprache umgehen kann. Das Handwerk ist immer die Basis. Bei einer Tageszeitung kann man dies sehr gut erlernen und anwenden. Und gerade in Zeiten von Fake News, ungeprüften viralen Videos und Twitter-Kanonaden haben Tageszeitungen, die sich dem Qualitätsjournalismus verpflichtet fühlen, eine wichtige Aufgabe und eine Berechtigung als Gegengewicht.

 

Viele Vertreter der PR-Branche wollen ihre Pressemitteilungen unbedingt in die Medien bzw. den Tagezeitungen platzieren. Gibt es etwas, das dich an PR-Agenturen nervt?

Peter Disch: Wenn uns z. B. das Management von Oliver Pocher mailt und schreibt: „Lasst uns doch eine tolle Geschichte zusammen machen. Der Olli kommt nach Baden-Baden.“ In diesem Fall muss ich direkt sagen: „Das ist bereits 50 Kilometer jenseits unseres Verbreitungsgebietes“ – und damit schon einmal schlecht. Denn wenn sich jemand bei uns meldet, sollte er wissen, wo wir erscheinen. Wir sind eben die „Badische Zeitung“ in Freiburg und nicht die „Badischen Neuesten Nachrichten“ in Karlsruhe. Außerdem sollte er auch nicht fragen: „Und wer ist dann der zuständige Redakteur in Baden-Baden?“ Wichtig ist, die Hausaufgaben bereits im Vorfeld zu machen. Alle unsere E-Mail-Kanäle zu „kapern“, geht ebenfalls nicht. Wir haben z. B. ein allgemeines E-Mail-Postfach für Kulturthemen und eines, bei dem Veranstaltungstermine gemeldet werden sollen. Einige Plattenlabels „ballern“ aber alle E-Mail-Kanäle voll. Oder: Eine PR-Agentur schickt uns eine E-Mail à la „Jetzt kommt die neue Haustierversicherung auch nach Deutschland“. Das ist aber ein Verbraucherthema und für unseren Bereich Kultur nicht relevant.

 

Gerade in Corona-Zeiten wird gerne telefoniert. Auch eine Zeitung ruft man vielleicht schnell mal an. Wie steht ihr generell dazu, wenn euch jemand ein passendes, perfekt recherchiertes Thema per Telefon schmackhaft machen will?

Peter Disch: Ich persönlich habe nichts gegen Anrufe. Es gibt ja auch Agenturen und Anrufer, die man bereits kennt und mit denen man dann ein bisschen tratscht. Wenn sich aber jemand mit einem bestimmten Thema bei uns meldet und wir feststellen, es ist für uns nicht relevant, blocken wir das Gespräch relativ schnell ab. Ich kann jedoch nicht sagen, wann der beste Zeitpunkt für einen Anruf ist. Jede Redaktion tickt da anders. Man muss es einfach probieren.

 

Hast du schon einmal jemanden auf eine „Black List“ gestellt, weil du vielleicht von ihm sehr genervt warst – oder anders gefragt: Was machst du mit solchen Leuten?

Peter Disch: Nein, bisher ist es noch nicht vorgekommen, dass wir beispielsweise einen Promoter auf die Schwarze Liste setzen mussten. Wir arbeiten bei uns auch ein bisschen nach dem Expertenprinzip. D. h., der Klassikredakteur oder die Kulturredakteurin wird nicht die Anfrage beantworten, ob wir z. B. einen Artikel über das neue heiße „Death Metal Ding“ aus Schweden bringen.

 

Zum Schluss die Frage: Du hast mal in einer Lokalredaktion ausgeholfen. Ist das eher eine Art „Strafversetzung“ oder vielleicht doch das echte, authentische Tageszeitungs-Metier?

Peter Disch: Im August 2020 habe ich drei Wochen in der Redaktion in Waldkirch gearbeitet. Dort war Not am Mann, es gab personelle Engpässe. Meine Frau meinte abends, ich sei viel entspannter. Ich denke, das lag daran, dass nicht so viele Meetings stattfanden. Hier im Hauptsitz sind die an der Tagesordnung. Und ich war wirklich überrascht, wie viel Spaß es mir dort gemacht hat. Es ist halt das Unmittelbare. Denn seien wir mal ehrlich: Ob mir persönlich ein bestimmtes Album gefällt oder nicht, wird an den Verkäufen nichts ändern. Wenn ich aber von meiner Schwägerin aufschnappe, dass der innerstädtische Drogeriemarkt dieser 22.000-Seelengemeinde zum Jahresende schließt und damit ein Argument, in die Stadt zu gehen, wegfällt und der ganze Einzelhandel darunter leidet, ist das vielleicht eine eher kleine Geschichte. Für die Menschen vor Ort haut das im Alltag aber echt rein.

 

Das Gespräch fand im Herbst 2020 statt. Derzeit ist Peter Disch in der Freiburger Stadtredaktion tätig.

Peter Disch. Foto: Miroslav Dakov

 

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