ADC Festival 2025: Bitte holen Sie ihr Ego an der Garderobe ab
„Weniger Ego, mehr Kreativität“ lautete das Motto – und wir haben genau hingesehen. © ADC Festival 2025
Am 21. Mai wurde der Hamburger Schuppen 52 wieder zum Treffpunkt für kreative Köpfe. Die Konferenz des ADC Festivals 2025 lockte unter dem vielversprechenden Motto „Weniger Ego, mehr Kreativität“. Ein Appell an die Branche, sich neu zu sortieren. Und vor allem: für weniger Selbstdarstellung, mehr echte Auseinandersetzung. Rund 120 internationale Speaker*innen diskutierten dafür Trends.
Zwischen Panel, Talk und Ausstellung wurde betont: Kreativität ist nicht nur ein Nice-to-have. Sie ist die entscheidende Fähigkeit im KI-Zeitalter. Oder wie ADC-Präsidiumssprecher Burkhard Müller es sagte: „Wenn alle dieselben Tools nutzen, macht der kreative Umgang damit den Unterschied.“
Was also bleibt nach dem Tag? Eine Branche im Wandel. Ein Format, das zum Nachdenken anregt. Und ein paar Learning, die nachhallen.
1. Pop kann politisch – auch (oder gerade), wenn er in den Charts läuft.
Pop wird oft unterschätzt. Dabei kann Pop mehr als bloße Unterhaltung sein: ein Spiegel gesellschaftlicher Realitäten, ein Resonanzraum für Protest, Identität und Sichtbarkeit. Und damit eine Quelle der Inspiration für die gesamte Branche. Umso bemerkenswerter, wenn im Festival-Programm der Appell ertönt, man solle sich mit „tiefgründiger Musik“ beschäftigen statt mit ESC oder Charts. Und das in einer Zeit, in der selbst die GEMA (no front) weiter diskutiert, die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik im Sinne der musikalischen Vielfalt abzuschaffen.
Das Problem: Solche Aussagen wirken ziemlich Ego. Der ESC mag politisch sehr diskutierbar sein, aber musikalisch steht er für Camp und Queerness. Für viele marginalisierte Menschen ist er ein Ort der Repräsentation. Und die Charts? Haben spätestens 2024 mit den Saphir-Pop-Girls gezeigt, wie man sexuelle Selbstbestimmung, Körper, Rollenbilder und mentale Gesundheit massenwirksam neu definieren kann.
Ist das flach? Oder vielleicht genau das Gegenteil? „Populär verpackt“ kann ein Hebel sein, um wichtige Themen zu enttabuisieren. Vielleicht braucht es kein entweder-oder. Sondern ohne elitäre Vorurteile ein genaues hinhören, was und wer wirklich bewegt.
2. Poetisch, plastisch, progressiv: Digitale Kunst geht mit Seele!
Einer der eindrucksvollsten Vorträge des Festivals kam von XK Studio-Mitgründerin Alexa Sirbu. Das Londoner Studio ist bekannt für radikal ästhetische Bildsprachen mit digitaler Handschrift. Sie verbinden High-End-3D mit organischer Bewegung, poetischer Symbolik und fast meditativer Ruhe. Der Vortrag zeigte exemplarisch, wie visuelle Technologie nicht als Selbstzweck, sondern als emotionales Erzählmittel eingesetzt werden kann.
Im Zentrum stand u.a. die Arbeit zu den posthum veröffentlichten Songs der verstorbenen Musikerin und Produzentin SOPHIE – eine der innovativsten Stimmen der letzten Dekade. Entstanden ist kein Musikvideo im klassischen Sinne, sondern ein audiovisuelles Kunstwerk. Flüssige Körper, sphärische Räume, fragile Texturen: eine surreale Bildwelt, die SOPHIEs Klangästhetik und ihre Themen rund um fluide Identität eindrucksvoll spürbar machte. Allein das zeigte: Visuelle Arbeiten, die wirklich hängen bleiben, müssen nicht lauter oder schneller sein, sondern präziser und fühlbarer.
3. Aufmerksamkeit ja – retraumatisieren nein.
Ein starkes und gutes Signal: Viele Agenturen präsentierten Cases mit Social Impact. Besonders bei sensiblen Themen wie sexualisierter Gewalt, die noch immer Aufklärungsbedarf haben, ist das wichtig. Aber Vorsicht: Sichtbarmachung darf nicht auf Kosten der Betroffenen geschehen. Gewaltabbildungen ohne Triggerwarnung oder kontextuelle Sensibilität sind keine mutige Kommunikation, sondern schlicht gefährlich. Wer Aufmerksamkeit will, trägt auch gegenüber dem Publikum im Raum Verantwortung.
4. Creator Relations brauchen Tiefe – nicht nur Reichweite
Wie können Marken wirklich in Communities andocken? Sicher nicht, indem sie nur auf Reichweite schielen. Talks rund um Creator Relations machten klar: Wir als Branche sollten mutiger denken und nicht immer den naheliegenden Pick wählen. Spannende Kooperationen entstehen dort, wo Persönlichkeiten ein Thema aus ungewohnten Perspektiven erzählen, wo Nischen nicht als Einschränkung, sondern als kulturelle Räume mit Relevanz verstanden werden. Wer bereit ist, auch mal Gedankenspiele jenseits der offensichtlichen Besetzung zu führen, findet Stimmen, die nicht nur sichtbar sind, sondern auch verbinden.

Carina Hartmann
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